Die Rote Zwiebel aus Acquaviva delle Fonti

Vor einiger Zeit haben mir liebe Freunde vom anderen Ende der Republik ein neues Geschmackserlebnis verschafft, indem sie uns eine Rote Zwiebel aus Tropea zukommen ließen. Diese Zwiebel ist besonders mild und man kann sie ohne weiteres wie einen Apfel roh essen. Sie eignet sich ganz ausgezeichnet als Bestandteil von Salat, lässt sich aber selbstverständlich auch gekocht oder gebraten mit anderen leckeren Dingen kombinieren, wie z.B. mit Salsiccia oder mit Steinpilzen.

Die Internet-Suche nach der Roten Zwiebel aus Tropea lieferte zwar keine deutsche Bezugsquelle, aber immerhin einen Samenhändler, der die Samen im Versand anbietet. Wer einen sonnigen Garten hat, kann die Tropea-Zwiebeln also wohl auch in unseren Breiten anbauen. Darüber hinaus lieferte die Suche die Erkenntnis, dass es nicht nur im kalabrischen Tropea eine milde Zwiebelart gibt, sondern im apulischen Acquaviva delle Fonti eine weitere Art roter Zwiebeln angebaut wird, die sich ebenfalls durch ihre Milde auszeichnen soll. Damit war dann auch gleich ein weiterer Ort bestimmt, den es im geplanten Sommerurlaub in Apulien aufzusuchen galt, denn Acquaviva liegt nur etwas über 30 km vom eigentlichen Urlaubsziel entfernt.


Rote Zwiebeln am Gemüsestand in Acquaviva

Ende August war auch die richtige Zeit für einen Besuch in Acquaviva, denn dann kommen die frisch geernteten Zwiebeln auf den Markt. Derweil die Zwiebel aus Tropea ein eher aristokratisch elegantes, schlankes und längliches Aussehen hat und ein makelloses rötlich-violettes Kleid trägt, ist die Cipolla di Acquaviva das genaue Gegenteil: bäuerlich behäbig, platt, rund und groß. Das Durchschnittsexemplar erreicht mühelos das Gewicht von einem Pfund, und die äußere, rote Schale ist oft mit gelblichen Flecken ausgestattet. Trotz alledem hat sie Slow Food für die Arche des Geschmacks ausgewählt – eine Ehre, die der Schwester aus Tropea noch nicht zuteil geworden ist.


Rote Zwiebel (rund 12 cm Durchmesser)

Nicht nur im Aussehen ist die Zwiebel aus Acquaviva weniger fein, auch in der Mildheit kommt sie nicht ganz an die kalabrische Variante heran. Mild und wohlschmeckend ist sie trotzdem, vor allem die Zubereitung im Ofen (mindestens eine Stunde bei 180°), die ich dank des bitontinischen Brotbäckers kennen lernte, hat mir besonders gut geschmeckt. Gegessen wird die im Ganzen gebackene Zwiebel mit Salz und Olivenöl, nach Belieben auch mit ein wenig Essig beträufelt.

In Acquaviva dreht sich vieles um die cepodde, wie die Zwiebel im Dialekt heißt. Ende Juli feiert die Stadt die Festa della Cipolla, und seit 1971 findet jedes Jahr im Oktober die Sagra del calzone statt, bei der es selbstverständlich den traditionellen Calzone zu essen gibt – dünn ausgerollter Teig, der reichlich mit gekochten Zwiebeln gefüllt wird und mit Ricotta Forte und Pecorino gewürzt ist („pasta stennute cu laganare cu jinde d’cepodde, rcotte asckuànde e fermagge pecorine“).


Calzone di Cipolla

Für das eine Fest waren wir zu spät, für das andere zu früh. Weil wir aber so begeistert von den Zwiebeln waren, wurden wir nach Acquaviva zu Freunden von Freunden eingeladen, um dort bei einem Abendessen den Calzone di Cipolla zu kosten. Selbstverständlich blieb es nicht nur beim Calzone, es kamen Rote Zwiebeln in allen Zubereitungsarten auf den Tisch – gekocht, gebraten, eingelegt. Dazu gab es leckere Spieße vom Grill, selbstverständlich auch mit – diesmal jedoch deutlich kleineren – Zwiebeln zwischen den Fleischstücken, die hier vom Pferd waren. Und vieles andere mehr, zuviel zum Aufzählen. Es war ganz köstlich, vielen Dank an Maria, die uns mit umwerfender apulischer Gastlichkeit so wunderbar bekocht hat und bereitwillig alle Rezepte für ihre Zwiebelgerichte verraten hat.

Nachtrag September 2020

Gelegentlich, wenn auch selten, bekommt man diese platten Riesenzwiebeln auch im heimischen Handel, so habe ich sie schon einmal im Charlottenburger Ableger des Feinkosttempels Frischeparadies finden können. Allerdings zählt Deutschland zusammen mit Frankreich gemäß einem Artikel vom 9.9.2020 bei FreshPlaza zu den Hauptimportländern, so dass es wohl deutlich mehr Läden geben sollte, die die Rote Zwiebel aus Acquaviva im Angebot haben.

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11 Antworten auf „Die Rote Zwiebel aus Acquaviva delle Fonti“

    1. Na klar doch, es war sogar ein Wein, den der Hausherr (aus gekauften Trauben, wie er uns erzählte) selbst gekeltert hat, ein ziemlich üppiger Stoff, der nach meiner Einschätzung mindestens 14 Umdrehungen aufwies.

  1. Ich halte im Frühjahr ein sonniges Plätzchen im Garten frei. Zwiebeln sind das meistgegessene Gemüse unseres Gartens, eine größere Vielfalt wäre daher nicht schlecht. Mir gefällt es auch, wie die Zwiebeln im Süden Europas auf Marktständen drapiert werden.

  2. Diese Zwiebelpastete ist eine von Marias Spezialitäten. Luigi, der Zwiebelhasser, zieht dann immer ein Gesicht wie Siebentageregenwetter, aber lecker ist es trotzdem. Mal sehen, ob ich ihn überreden kann, zum Zwiebelfest zu fahren.

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